Banken Konkurs - Der Use Case für Bitcoin

Banken Konkurs - Der Use Case für Bitcoin

Die Silicon Valley Bank geht Konkurs und mehrere Milliarden USD sind blockiert. Wir zeigen auf, wie es dazu kam und inwiefern Bitcoin helfen kann, dies künftig zu verhindern.

Phil Lojacono

Da fasse ich den Entschluss, nicht mehr über brandaktuelle Themen zu schreiben. Vielmehr wollte ich "evergreen" Artikel mit Bitcoin Wissen für Wirtschaft und Politik verfassen. Und was passiert als Nächstes? Eine grosse US-Bank geht Konkurs innert 48h, alle Vermögenswerte werden eingefroren und ein gigantischer Schock geht (wieder einmal...) durch die Finanzmärkte. Das schreit natürlich nach einer Aufarbeitung. Insbesondere weil die Abläufe der letzten Woche exemplarisch für den Bitcoin Use Case sind.

Was ist geschehen und was hat das mit Bitcoin zu tun?

TLDR - Alles Relevante in weniger als 60 Sekunden

  • Die Silicon Valley Bank (SVB) erlebte einen so genannten Bank Run. Vermögenswerte (Kundenkonten) waren nicht genügend gedeckt
  • Die Aktie verlor innerhalb eines Tages >60% an Wert und die über USD 200 Mrd. Kundenvermögen wurden eingefroren
  • Der Niedergang der SVB ist der zweitgrösste Bankenkollaps der US Geschichte
  • Die FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) deckt Vermögen bis USD 250k - alles darüber ist vorerst höchst unsicher
  • Mehrere tausend Firmen und Privatpersonen, insbesondere im Tech und Start-Up Sektor, haben keinen Zugriff mehr auf ihre Konten und können bereits die kommende Woche keine Lohnzahlungen mehr vornehmen
  • Es ist davon auszugehen, dass es weitere Finanzinstitute mitreissen wird, sollte der Staat nicht eingreifen
  • Der Grund für den Niedergang ist in erster Linie Missmanagement, darunter liegend ist es aber ein Systemproblem. Bitcoin löst dieses Problem.

Was ist passiert und wie kam es zum Kollaps der SVB?

Im Prinzip ist das Geschäftsmodell von Banken einfach. Zumindest war es das ursprünglich. Eine Bank nimmt Gelder von Kunden entgegen, zahlt dafür Zinsen und lehnt es in Form von Krediten wieder an Privatpersonen, Firmen, Staaten etc. aus. Geld verdien(t)en sie mit der Zinsdifferenz, d.h. Banken zahlen weniger Sparzinsen als sie mit Krediten verdienen. Nun gibt es insbesondere im Zusammenhang mit dem Silicon Valley Bank (SVB) Kollaps drei wichtige Herausforderungen:

  1. Fristenkongruenz: Häufig liegen Kundengelder auf liquiden Konten. D.h. Kunden können ihr Geld jederzeit abheben. Sparkonten, Geldmarktanlagen etc. haben etwas längere Sperrfristen, aber oft liegt das Geld auf jederzeit liquiden Girokonten. Längere Sperrfristen gäben den Banken etwas mehr Sicherheit, um das Geld in längerfristige Anlagen zu investieren. Im Falle der SVB wurden über USD 100 Mrd., d.h. knapp 60% der Anlagen in MBS (Mortgage backed Securities => Finanzpapiere mit darunterliegenden Hypotheken) und US Staatsobligationen angelegt. Grundsätzlich sind das relativ sichere Anlagen. Sie sind aber teilweise 10 Jahre blockiert. Das heisst, die SVB hat langfristige Investitionen mit jederzeit verfügbaren Kundengeldern getätigt. Bis zu einem gewissen Grad ist das Standardpraxis, aber es müsste diese Kernkompetenz der Bank sein, solche Fristenkongruenzen zu managen.
  2. Fractional Reserve Banking (oder Geldschöpfungsmultiplikator): Die landläufige Meinung ist, dass nur Zentralbanken Geld schaffen können. Das ist aber falsch. Unser heutiges Finanzsystem basiert auf dem "fractional reserve banking" System (übersetzt Teilreservebanking), welches auch Geschäftsbanken ermöglicht, Geld zu "kreieren". Dies funktioniert so, dass Banken nur ganz wenig (in den USA 0% seit März 2020) aller Kundenvermögen als solche verfügbar und gesperrt haben müssen. Die Regulatoren versuchen die Liquidität der Kundenvermögen - wie wir auch jetzt wieder sehen mit sehr bescheidenem Erfolg - anders sicherzustellen. Ein konkretes Beispiel: Hält eine Bank CHF 500m in Kundenvermögen und hält lediglich 10% als direkte Reserve, werden CHF 450m als Kredite vergeben. Diese CHF 450m werden wiederum in irgendeiner Form angelegt (Immobilienkauf mit Hypotheken, Finanzanlagen etc.) oder landen auf einem Konto. Das Geld existiert also de-facto zweimal. Und das Ganze startet wieder von vorne. So entsteht schnell ein Vielfaches an "neuem" Geld. One Minute Economics hat hierzu ein sehr leicht verständliches Video erstellt:

3.  Geldpolitik und Zinsanhebungen: Seit der Finanzkrise 2008 haben die Nationalbanken weltweit die Leitzinsen praktisch auf Null gehalten. Zusätzlich wurde massiv Geld gedruckt. Dies führt unweigerlich zur Abwertung der Währungen in Form von erhöhten Inflationszahlen. Obwohl lange verneint, dann als nur temporär bezeichnet, sind hohe Inflationszahlen seit rund 12 Monaten allgegenwärtig. Die Silicon Valley Bank (SVB) hat in den vorhergehenden, d.h. in den letzten 3-4 Jahren stark vom Gratisgeld profitiert. Die Zielkundschaft der SVB - Start-Ups, Venture Capital Firmen und Technologieunternehmen - wurden regelrecht mit Geld überhäuft. Wie oben beschrieben, hat die Silicon Valley Bank diese Kundengelder u.a. in 10 jährige Staatsanleihen angelegt. Mit diesen erzielten sie in der Phase der Nullzinspolitik lediglich 0.6% Rendite pro Jahr. Seit dem starken Zinsanstieg der US Notenbank ist die erwartete Rendite aber auf ca. 3.7% gestiegen. Die logische Folge daraus, ist dass der Wert des Finanzpapiers auf dem Sekundärmarkt stark sank. Was sich vielleicht kompliziert anhört, ist im Grunde ganz einfach. Du gibst einer Firma einen Kredit über CHF 10'000.- und erhältst dafür CHF 60.- (0.6%) an Zins pro Jahr. Das Ganze ist fixiert auf 10 Jahre, d.h. du erhältst lediglich die CHF 60.- pro Jahr, aber das initiale Investment ist lange gesperrt und die Firma kann damit operieren. Nun vergehen zwei Jahre und plötzlich muss das gleiche Unternehmen CHF 370.- pro Jahr bezahlen für den exakt gleichen Kredit. Logischerweise möchte niemand mehr den Vertrag des Initialkredits und dieser Vertrag an sich wird an Wert verlieren. Hältst du also den Vertrag mit 0.6% in deinen Büchern, musst du den gemäss aktuellem Marktverständnis bewerten (Mark-to-market Bewertung genannt) und einen Verlust buchen.

Und genau aus diesen drei oben genannten Punkte entstand der "perfekte Sturm" resp. der Bank Run auf die Silicon Valley Bank. Höhere Zinsen sind auch für Kunden attraktiver. D.h. sie ziehen das Geld vom Konto ab, legen es ggf. direkt in Staatsanleihen an, zwingen damit die SVB ihre eigenen Anlagen zu liquidieren. Diese zu liquidieren ist aufgrund der langen Anlagefristen schwierig und ihre tief verzinsten Staatsanleihen aus den Jahren 2020-2021 können nur mit Verlust verkauft werden. Andere Kunden kriegen das mit, werden nervös, ziehen ihr Geld ab, die SVB hat aber aufgrund des fractional reserve bankings nur einen Bruchteil verfügbar und muss noch mehr liquidieren.

Und das war's. Eine eigentlich gut funktionierende Bank mit >USD 200 Mrd. Kundenvermögen ist Geschichte.

Mit welchen Folgeeffekten ist zu rechnen?

Ist das jetzt ein Versagen des Managements der Bank? Ganz klar. Differenz in verschiedenen Anlagehorizonten ist eine lange bekannte Herausforderung für Banken. Ebenfalls ist es ein Unding, sich nicht gegen steigende Zinsen abzusichern.

Von daher ist es nichts als richtig, dass die Bank Konkurs geht, das Management den Job verliert und die Aktionäre leer ausgehen.

Das Problem geht aber noch viel weiter.

Als direkte Folge sind mehrere tausend Start-Ups, Technologieunternehmen und Privatpersonen betroffen. Über 97% der >200 Mrd. Kundenvermögen sind nicht durch die Einlageversicherung abgedeckt. Diese deckt USD 250'000.- pro Kunde (in der Schweiz wären es CHF 100'000.-). Alles darüber hinaus ist vorerst höchst unsicher. Das heisst, all diese Firmen können nicht auf ihr Geld zugreifen und teilweise bereits nächste Woche schon keine Löhne mehr bezahlen. Das ist wohl auch der Grund, wieso einige bekannte Tech Investoren und Start-Up Gründer sehr tief im Krisenmodus stecken:

Es geht aber noch weiter. Und zwar wird per Öffnung der Banken am heutigen Montag Morgen (13.03.2023) die Unsicherheit gross sein. Menschen und Firmen werden so schnell wie möglich versuchen, ihr Geld auch bei anderen kleineren Banken in Sicherheit zu bringen. Es kann also zumindest theoretisch zu einem Bank Run von noch viel grösserem Ausmass führen. Mit der Signature Bank und der First Republic Bank kamen bereits am Freitag zwei weitere Institute stark unter Druck. Dieser Druck wird Anfang Woche massiv zunehmen. (UPDATE: Die Signature Bank wurde am Sonntag durch die Regulatoren "geschlossen").

Und auch diese Banken operieren unter dem gleichen System und haben mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen. Dasselbe gilt übrigens auch für europäische und Schweizer Banken. Fairerweise muss man auch sagen, dass sich zumindest die beiden Schweizer Grossbanken in den letzten 15 Jahren auch nicht nur mit Ruhm bekleckert haben diesbezüglich.

Welche Optionen gibt es?

Es gibt eigentlich nur zwei Optionen für die FED oder die US Finanzmarktaufsicht. Entweder sie beruhigen die Finanzmärkte und sichern alle (oder einen Grossteil) der Kundenvermögen oder sie riskieren Bank Runs im grossen Stil. Was sind die Vor- und Nachteile der beiden Optionen:

  1. Absicherung der Kundenvermögen: Um die Finanzwelt zu beruhigen, könnte die FED alle Einlagen versichern. Um einen Bank Run zu verhindern, müsste sie das uneingeschränkt tun. Die Kunden würden wissen, dass ihr Geld sicher ist und ausufernde Panik würde verhindert werden. Auf der anderen Seite müsste das Geld der Absicherung ja von irgendwoher kommen. Das heisst, die derzeitige Politik der höheren Zinsen und der zaghafte Versuch, Geld wieder teurer zu machen würde wohl umgekehrt werden müssen. Mit der Folge, dass die Inflation wohl länger nicht eingedämmt werden würde.
  2. Riskieren eines Finanzmarktkollaps: D.h. quasi nichts machen und den Markt spielen lassen. Die Kunden mit ihren unbesicherten und blockierten Vermögenswerten belassen und schauen, wie sich alles entwickelt. Evtl. gibt es schnell eine Lösung und eine grössere Bank übernimmt alles. Vielleicht aber auch nicht. Das Risiko eines Flächenbrandes und eines Kollapses des Finanz- und Wirtschaftssystems der USA (und damit der westlichen Welt) ist nicht zu unterschätzen.

Was meiner Meinung nach gegeben ist, ist dass die Aktionäre und die Bank auf keinen Fall gerettet werden dürfen. Es ist auch falsch, einfach alles mit einer Vollkasko-Mentalität abzudecken. Es ist wichtig, dass sich alle Leute bewusst sind, wie unser System funktioniert und welchen Gefahren man sich aussetzt. Und dafür sind schmerzhafte Lektionen wichtig. Leider hat man aber bereits während der Finanzkrise 2008 den Weg gewählt, alles abzusichern und die Gesellschaft nicht mit der Realität zu konfrontieren.

Das derzeitige System krankt an der Basis. Es bevorzugt Gier und kurzfristigen Profit auf Kosten langfristiger Substanz. Es ist wichtig, dass das allen bewusst wird. Dementsprechend sollte man auch von einer Komplett-Besicherung aller Anlagen der SVB absehen und den Markt frei spielen lassen. Eine meiner Meinung nach schmerzhafte, aber notwendige, Lektion.

Inwiefern kann Bitcoin hier helfen?

Bitcoin hilft, indem die drei oben genannten Punkte allesamt nicht mehr möglich sind. Konkret heisst das:

  1. Fristenkongruenz und & fractional reserve banking: Geld auszuleihen kann durchaus Sinn machen. Es wird von "unproduktiven" Sparern zu "produktiven" Firmen verschoben. Das ist auch bei einem Bitcoin System der Fall. Nur existiert das Geld nicht plötzlich mehrfach. Ein Bitcoin besteht aus 100m Sats (Satoshis) und insgesamt wird es nie mehr als 21 Millionen Bitcoin geben. Diese können weder dupliziert, noch gefälscht, noch arbiträr vermehrt werden. Jede Person auf der ganzen Welt kann jederzeit überprüfen, ob er/sie echte Bitcoin hält oder nicht.
  2. Geldpolitik und ausweitende Geldmengen: Die Weltwirtschaft lief zehn Jahre auf allen Zylindern aufgrund der Tiefzinspolitik. Riesige Blasen wurden kreiert, Immobilienpreise gingen durch die Decke, Zombiefirmen wurden am Leben gelassen, Crypto Schneeballsysteme gingen durch die Decke und einige Leute wurden unglaublich reich. Offensichtlich profitierten nicht alle im gleichen Rahmen, was mittelfristig auch zu sozialen Unruhe führen wird. Nun gehen die ökonomischen Lehren auseinander und man kann verschiedene Meinungen zur aktiven Geldpolitik vertreten - unbestritten ist aber, dass der Effekt enorm gross ist. Bei Bitcoin gibt es das nicht. Die Geldpolitik von Bitcoin ist ganz klar definiert und durch nichts und niemanden veränderbar. Stand heute werden 6.25 neue Bitcoin alle 10 Minuten kreiert, ab April 2024 sind es dann noch 3.125 und dann immer 50% weniger alle vier Jahre. Bis schlussendlich im Jahre 2140 der letzte der 21 Millionen Bitcoin "gemined" wird.
  3. Faktor Mensch: Egal wie man zu den Geschehnissen steht, ob man keine oder allmächtige Regulierung wünscht, ob man für einen grossen, kleinen oder inexistenten Staat ist, ob man Tech-Firmen oder die WallStreet cool findet oder nicht - alle Probleme haben eines gemeinsam: Sie scheitern immer am Faktor Mensch. Sei es Gier, Inkompetenz, Egomanie oder was auch immer, es sind immer menschliche Fehler für das Leid vieler verantwortlich. Bitcoin entfernt den Faktor Mensch aus dem System. Man muss Mathematik und Physik vertrauen und nicht Jerome Powell als Oberaufseher des FED, Gregory Becker als CEO der Silicon Valley Bank oder Urs Rohner als langjährigem VRP der Credit Suisse.

Natürlich würde ein Bitcoin Standard auch nicht alle Probleme lösen. Aber es ist sicher lohnenswert mit offenen Scheuklappen durch die Welt zu gehen, zu verstehen wie unglaublich zentral das heutige Finanzwesen und die Geldpolitik für das Leben aller ist und offen für Alternativen zu sein.

"Meme" of the Week - Forbes wiedermal mit Qualitätsjournalismus

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