Warum der FTX Betrug mehr mit der traditionellen Finanzwelt als mit Bitcoin zu tun hat

Warum der FTX Betrug mehr mit der traditionellen Finanzwelt als mit Bitcoin zu tun hat

Sam Bankman-Fried und seine Kumpanen haben Anleger um mehr als USD 10 Mrd. betrogen. Wir zeigen auf, wieso dass dieser Betrug weit mehr Ähnlichkeit mit der traditionellen Finanzwelt aufzeigt, als mit Bitcoin.

Phil Lojacono

Die Krypto-Welt brennt. Sam Bankman-Fried (SBF), einstiges Wunderkind und oftmals als Genie bezeichneter Gründer von FTX, hat einen aalglatten Betrug aufs Parkett gezaubert. Der proklamierte Paradigmenwechsel sollte zu grossem Reichtum für alle Nahestehenden führen. Die Realität sieht aber anders aus. Statt der Vision von Satoshi Nakamoto - eine von Menschen unabhängige Geldpolitik - haben viele Krypto-Projekte eher Gemeinsamkeiten mit der traditionellen Finanzwelt als mit Bitcoin. Die jetzt bereits stattfindende Korruption wird einfach viel billiger und viel schneller in Umlauf gebracht. Traditionelle Finanzwelt auf Steroiden quasi.

TLDR - Alles was du wissen musst in weniger als 60 Sekunden

- Der Niedergang von FTX schlägt grosse Wellen und wird noch weitere Firmen mit den Abgrund reissen

- Insgesamt verloren Investoren mehr als 10 Milliarden USD

- Sam Bankman-Fried pflegte sehr gute Verbindungen in die US-amerikanische Wirtschafts- und Politik-Elite

- Der ganze Kollaps ist vergleichbar mit ähnlichen Betrugsfällen in der traditionellen Finanzwelt und hat absolut nichts mit Bitcoin zu tun.

Was ist passiert?

Letzte Woche haben wir bereits kurz über SBF und den Kollaps der Kryptobörse FTX berichtet. Da war noch die Rede von einer Übernahme durch Binance. Diese hat sich mittlerweile genau so in Luft aufgelöst, wie die ca. USD 10 Mrd. Kundenvermögen auf FTX. Mittlerweile sind mit BlockFi, Genesis und Gemini weitere Krypto-Plattformen massiv in Schieflage geraten und die Konkursanmeldung ist wohl nur noch eine Formsache. Dies nachdem wir schon im Frühling eine Reihe von Krypto-Plattformen kollabieren sahen. Der Bitcoiner Dylan LeClair führt in diesem Twitter Thread Buch zum Domino-Kollaps:

Kurzum, das Kartenhaus zerfällt in Windeseile. Viele sehen jetzt Gary Gensler, den Vorsitzenden der SEC (Securities and Exchange Commission, sprich dem US-amerikanischen Finanzregulator), als künftigen weissen Ritter. Sie fordern strengere Regulierungen und haben das Gefühl, Betrügereien würden so verhindert werden. Diese Argumentation hat ähnlich viel Substanz wie die Krypto Casinos selber. Warum das so ist, erfahrt ihr untenstehend. Zuerst müssen wir aber noch besser verstehen, was zu SBF’s kometenhaften Aufstieg führte.

Wie kam es zum vermeintlich grandiosen Erfolg von Bankman-Fried

SBF ist einer der Gründer von Alameda Research, einem Crypto Hedge Fund. Nach seinem Studium am MIT (Massachussets Institute of Technology) hat er die Trading-Basics beim traditionellen Hedge Fund Jane Street erlernt. Im November 2018 hat Alameda Research, damals noch ein kleiner Fisch in der Hedge Fund Welt, in einem Investment Memo “Hohe Renditen (15%) ohne Risiko” versprochen.

Bereits im Juli 2019, also nur wenige Monate später, haben SBF und Kumpanen eine acht Millionen USD Seed Runde für den Aufbau der Börse FTX angekündigt. In einem Investment Memo eines Investoren wurde auf den Interessenskonflikt zwischen Alameda und FTX hingewiesen. In der traditionellen Finanzwelt wäre das in etwa vergleichbar, wie wenn die Gründer eines Anlagefonds, spezialisiert auf Schweizer Aktien, nebenbei noch die Schweizer Börse gründen möchten. Verschiedene anonyme Quellen sagen jetzt, dass FTX von Anfang nur deshalb gegründet wurde, um Alameda zu günstigem Kapital zu verhelfen.

Nun gut, trotz den offensichtlichen Interessenkonflikten wurde das durchgewunken und Investoren sahen kein Problem damit. Im Gegenteil, wie ein Blick ins Investment Memo von Sequoia Capital (einem der erfolgreichsten Venture Investoren überhaupt und wichtiger Investor von FTX) zeigt - sie waren geradezu überwältigt von Sam Bankman-Fried.

FTX wurde schnell zur zweitgrössten Kryptobörse weltweit. Wie sich jetzt herausstellt mit kriminellen Methoden, aber doch vordergründig unglaublich erfolgreich. So wurde SBF’s Vermögen beim Höhepunkt auf knapp USD 30 Mrd. geschätzt. Gemäss eigenen Angaben wurden täglich über USD 11 Mrd. an Kryptowährungen über die Plattform gehandelt.

Neben dem parallelen Aufbau eines Hedge Funds hat SBF seinen Einfluss bei Politikerinnen, Regulatoren und Stars & Sternchen ausgeweitet. Sportstadien wurden in FTX Arenen umbenannt, Tom Brady & Gisèle Bündchen als Werbestars angeworben, SBF wurde zu einem der grössten Spender der Demokraten und sowohl Youtuber wie auch die grössten Zeitungen überschlagen sich mit Videos und Artikel über das vermeintliche Wunderkind. Das volle Programm zur Manipulation der Öffentlichkeit.

Neben den ganzen Selbstbeweihräucherungs- und Vermarktungsgeschichten fällt aber insbesondere die Nähe zur Politik ins Auge. Seine Eltern sind beides Rechts-Professoren an der Stanford University. Sie arbeiten sehr nahe mit der politischen Elite des Landes zusammen. So war seine Mutter, Barbara Fried, Kampagnenleiterin von Elizabeth Warren, Senatorin der demokratischen Partei und sein Vater, Joseph Bankman, half dem IRS (Steueramt der USA) beim Paper “Tax compliance in a decentralized economy”. Um dem Ganzen noch einen oben drauf zu setzen, war der Vater der operativen CEO von Alameda, Caroline Ellison, der ehemalige Vorgesetzte von Gery Gensler, seines Zeichens Vorsitzender der US Regulierungsbehörde SEC. Long story short, eine Verbündelung mit Washington, wie man es sonst nur bei den grössten Banken sieht. Hier ist alles noch ausführlicher beschrieben.

Das ist vermutlich auch ein Grund, wieso SBF von den Medien immer noch mit Samthandschuhen angefasst wird. In nur schwer verdaulichen Artikeln haben die NYT und die Washington Post SBF fast in Schutz genommen. Und von der Politik kommt bislang lediglich die Forderung nach mehr Regulation, eine Verurteilung des Betrugs oder klare Distanzierung von der Person sucht man vergebens. Ein Hohn für alle Betroffenen. Zum Vergleich - so geht die NYT mit einem anderen Gründer um, der die Verwendung verschiedener Pronomen in Frage stellt. Er hat halt leider nicht die richtigen Verbindungen und vermutlich die politisch falsche Einstellung.

Wie SBF in jetzt veröffentlichten privaten Nachrichten selber zugab, war das alles nur Fassade:

So, jetzt kennen wir die Hintergründe des kometenhaften Aufstiegs. Aber was waren die Gründe für den Fall?

Wie kam es zum Fall von FTX

Auch eine Woche nach dem Kollaps ist noch vieles unklar. Einige Fakten sind aber auf dem Tisch. Beispielsweise, dass mittlerweile auch weitere Krypto Firmen davon betroffen sind, da sie entweder über FTX gehandelt, oder aber ihr eigenes Geld dort gelagert haben. Das wird wohl noch einige Monate so gehen und weitere Krypto Firmen werden ihre Bilanz deponieren müssen. Zudem geht man momentan von ca. USD 10 Mrd. veruntreutem Kapital aus. Solche Summen sind für uns nur sehr schwer vorstellbar. Das sind 131’000 Jahre Arbeitsleistung bei einem durchschnittlichen Schweizer Salär. Oder anders ausgedrückt, die gesamte Lebensarbeitsleistung von 3’275 Menschen. Innerhalb von zwei Tagen. Einfach weg.

Was wir aber sicher bereits wissen, sind die folgenden vier Faktoren:

Eigene Token: Der FTT Token wurde von FTX ins Leben gerufen. Es handelte sich dabei um den Token, den man beim Handel auf der FTX Plattform verwenden und von Vorteilen profitieren konnte. Die Menge, Umlaufgeschwindigkeit und Sicherheit dieser Tokens liegt aber in den Händen von FTX. Alameda Reserach hat ähnliche Projekte wie Oxygen Protocol, Solana, MAPS, Project Serum und Weitere lanciert.

Mit diesen Projekten hat man immer das gleiche Spiel gespielt. Und zwar lag die überwältigende Mehrheit dieser Tokens bei Alameda/FTX, nur ein kleiner Prozentsatz wurde über die FTX Börse an die Öffentlichkeit verkauft. Mit Marketing und ein paar wenigen Millionen konnte so der Preis ins Unermessliche gedrückt werden.

Ein Beispiel: Alameda lanciert/finanziert das MAPS Projekt bei einer Bewertung von USD 10m mit zwei Millionen USD. Sie halten also 20% am Projekt (der Rest liegt wohl bei FTX oder anderen Insidern). Es gibt 10 Mrd. MAPS Coins total. Auf FTX werden jetzt aber nur 75 Mio. Coins (d.h. 0.75%) in Umlauf gebracht. Marketing und Alameda als wichtigster Investor auf der FTX Börse pumpen den Preis in die Höhe. Und schwups sind aus den USD 2m (20% Beteiligung) mehrere hundert Millionen geworden.

Querfinanzierung: Diese unter Punkt 1 genannten hunderten von Millionen hat Alameda Research dann verwendet, um ihre eigene Bewertung nach oben zu treiben. Sie haben die verschiedenen Projekte zum Marktpreis in die Bilanz genommen. Damit wurden Kredite von anderen Finanzinstituten bezogen. Einer sehr erfolgreichen und wertvollen Firma gibt man mehr, schneller und günstiger Kredite als einer kleinen. Diese Kredite hat man zum einen dazu verwendet, mit Fremdkapital noch riskantere Wetten auf der FTX Plattform einzugehen, zum anderen aber die exorbitanten Kosten von FTX querzufinanzieren. Wie im neusten Bericht des Konkursverwalters einzusehen, wurden aber auch Häuser auf Bahamas für die Mitarbeitenden damit finanziert.

Frontrunning: Als wären die oberen beiden Punkte noch nicht genug, hat sich nun herausgestellt, dass Alameda Research über eine Schnittstelle zur FTX Plattform verfügte. Mit dieser Schnittstelle konnten sie vor allen anderen auf der FTX Plattform handeln. Ausserdem konnten sie jeweils mit Insider-Wissen die Gegenpartei zu aktiven Tradern einnehmen.

Fractional Reserve Banking (“Teilreservebanking”): Und zu guter Letzt hat sich jetzt auch noch gezeigt, dass die von ahnungslosen Akteuren gehaltenen legitimen Coins gar nicht vorhanden sind. Bspw. hält FTX sagenhafte 0 Bitcoin in ihren Büchern. Es wurde den Nutzern einfach eine Zahl angezeigt in ihrem Konto.

Summa Summarum, es ist ein Chaos sondergleichen (ganz entsprechend der Firmenstruktur von FTX). Betrug an allen Ecken und Enden. Dieses 99 Sekunden Video gibt auch einen hervorragenden Überblick.

Aber hey, wen kümmern schon ein paar Milliarden USD von knapp 100 Millionen betroffenen Anlegern, wenn man nur die richtigen Leute kennt. So wird SBF auch nach wie vor als Sprecher - neben anderen Grössen aus Politik und Wirtschaft - für einen Event der New York Times (NYT) aufgeführt:

Und wieso hat das jetzt nichts mit Bitcoin, sondern vielmehr mit dem traditionellen Finanzsystem zu tun?

Alles. All diese Punkte finden exakt so statt in der traditionellen Finanzwelt. Die Regulierung verlangsamt wohl das “fractional reserve banking”, die Quersubventionierung und macht das Frontrunning etwas schwieriger. Aber es existiert und es hat u.a. zur Finanzkrise 2008 geführt. Sei es der Kollaps von Lehman Brothers, die Rettung der UBS oder der Kollaps des Bernie Madoff Ponzi Schemes. Alles existiert mit genau diesen Faktoren.

Die wichtigste Überschneidung zur traditionellen Finanzwelt findet aber auf staatlicher Ebene statt. Und zwar bei der arbiträren und politisch motivierten Kreation von Coins - oder halt eben Fiat Geld. Die gigantische Überschuldung verschiedener Staaten wird überdeckt mit der Kreation neuer “Tokens”, statt mit einer gesunden Wirtschaftspolitik. Das führt zu hohen Inflationsraten und einer konstanten Abwertung des eigenen Vermögens, resp. des Gegenwerts der individuellen Arbeitsleistung. Der Kollaps findet zwar langsamer, vermeintlich “kontrollierter” und sicherlich nicht in allen Ländern mit der gleichen Heftigkeit statt. Aber er findet statt.

Und genau all diese Punkte stehen für die exakte Antithese von Bitcoin. Bitcoin (richtig verwahrt) kann nicht gefälscht, nicht konfisziert, nicht veruntreut und nicht gestohlen werden. Es gibt niemanden, der einfach magisch mehr Bitcoin aus dem Hut zaubern kann und es gibt niemanden, der die Richtung der Geldpolitik verändern kann, um sich und seine Freunde noch etwas reicher zu machen. Bitcoin ist die einzige Möglichkeit, Geld vom Unsicherheitsfaktor "Mensch" zu trennen und stattdesse auf Naturgesetze (Energie und Mathematik) zu vertrauen.

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